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Auch in vielen anderen KZ-Gedenkstätten sollten die 75. Jahrestage mit großen Gedenkveranstaltungen begangen werden. Alle noch lebenden ehemaligen Häftlinge waren dazu eingeladen worden, viele hatten zugesagt, gemeinsam mit Familienmitgliedern aus aller Welt anzureisen. Aufgrund ihres hohen Alters vermutlich zum letzten Mal wollten sie an diese Orte zurückkehren, um ihrer Befreiung, aber auch jener zu gedenken, die die Konzentrationslager nicht überlebt hatten.
„Ich kann nicht sagen, ob ich überhaupt damals was gefühlt habe.“
(Livia Fränkel, Ungarn/Schweden)
Neuengamme
Die skandinavischen Häftlinge waren seit März 1945 im Rahmen der Rettungsaktion Weiße Busse in Neuengamme gesammelt und – betreut vom Schwedischen und Dänischen Roten Kreuz – noch im April nach Schweden evakuiert worden. Dies rettete ihr Leben.
Im KZ Neuengamme selbst richtete die SS am 21. April 1945 noch 71 Widerstandskämpfer*innen im so genannten Arrestbunker hin. Einen Tag zuvor hatte sie 20 jüdische Kinder, an denen zuvor im Lager pseudo-medizinische Experimente vorgenommen worden waren, im Keller einer ehemaligen Schule in Rothenburgsort erhängt, um die Spuren der Taten zu verwischen. Mit ihnen starben ihre vier Betreuer sowie vermutlich 24 sowjetische Häftlinge.
Tausende waren von der SS in den letzten Kriegswochen auf Todesmärsche gezwungen und in die Auffanglager Bergen-Belsen, Sandbostel oder Wöbbelin transportiert worden, in denen unhaltbare Zustände herrschten. Tausende von ihnen starben hier Tage vor der Befreiung. Über 1.000 Häftlinge wurden in einer Scheune in Gardelegen verbrannt.
Am 3. Mai 1945 schließlich endete die Geschichte des KZ Neuengamme in einer Katastrophe. Um die 10.000 Häftlinge waren Ende April nach Lübeck transportiert und dort auf drei Schiffe verladen worden. In Unkenntnis, wer sich an Bord befand, bombardierte die Royal Air Force die Schiffe. Die „Athen“ mit ca. 2.000 Menschen an Bord wurde nicht getroffen. Die „Thielbek“ mit 2.800 Menschen an Bord und die „Cap Arcona“ mit 4.200 Menschen wurden in Brand geschossen und sanken. Viele, denen es gelang, sich ans Ufer zu retten, wurden dort von Volkssturm und Hitlerjugend erschossen. Etwa 6.600 KZ-Häftlinge fanden so den Tod in der Lübecker Bucht, nur ca. 450 Häftlinge überlebten.
„Ich hatte das Glück, einer von ihnen zu sein. Warum überlebte ich? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Warum ich? Durch Glück und vielleicht auch durch ein wenig Entschlusskraft.“
(Marian Hawling, Überlebender der Schiffskatastrophe, Rede 3.5.2010 in Neustadt)
Am selben Tag war die Stadt Hamburg kampflos an die Briten übergeben worden, die am Vortag das Lager Neuengamme leer und aufgeräumt vorgefunden hatten. Die SS hatte ganze Arbeit geleistet.
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Heute gedenken wir der mindestens 42.900 Frauen und Männer, die das KZ Neuengamme und seine Außenlager nicht überlebten.
“Es hat damit geendet, dass wir eines Tages aufgestöbert wurden von einem Sowjetzki, der gesagt hat ‚Der Krieg ist zu Ende, Hitler ist kaputt, gehen Sie nach Hause!‘“
(Bericht über den Ravensbrücker Todesmarsch, aus einer Collage von Überlebendenberichten auf www.bpb.de)
Ravensbrück
1942 wurde dann in unmittelbarer Nähe das von den Nationalsozialisten euphemistisch genannte „Jugendschutzlager“ Uckermark eingerichtet, das dem Reichspolizeikriminalamt unterstand und in dem 1.200 sogenannte „unerziehbare“ Mädchen zwischen 16 und 21 Jahren inhaftiert wurden. Sie waren aufgrund eines Erlasses über „vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ von 1937 als „asozial“ oder „sexuell verwahrlost“ stigmatisiert worden, galten als non-konformistisch und widerständig oder waren aufgrund ihrer Kontakte zu Juden und Jüdinnen oder ausländischen Zwangsarbeiter*innen verhaftet worden. Ihre Lebensbedingungen unterschieden sich nicht von denen in einem Konzentrationslager.
Nach Räumung des Lagers Uckermark im Januar 1945 wurde es als Sterbe- und Selektionslager für Häftlinge aus dem KZ Ravenbsbrück weiter genutzt.
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„Wenn wir uns gegenseitig nicht Mut zugesprochen hätten, würden wir gar nicht weiterleben können. Wir lebten einfach nur mit dem Gedanken, gemeinsam überleben zu müssen.“
Diese Freundschaften hielten in der Regel auch nach der Befreiung, häufig bis zum Tod der Frauen, auch wenn sie auf der ganzen Welt verstreut waren und sich höchstens auf den jährlichen Gedenkveranstaltungen treffen konnten. Ohne einander, so die einhellige Meinung, hätten sie nicht überlebt.
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Wir gedenken der ca. 28.000 Toten des KZ Ravensbrück und seiner Außenlager, der unbekannten Anzahl von Toten des KZ Uckermarck sowie der Frauen, die auf den Todesmärschen starben.
Aus dem Bildband »Begegnungen« 2005
#75Befreiung
29. April 1945 Dachau
30. April 1945 Ravensbrück
Dachau
“Weinte ich vor Erleichterung, weil ich frei war oder aus Schmerz über den Verlust meiner Familie?
Ich weiß es bis heute nicht”
(Max Mannheimer über seine Gefühle bei der Befreiung, Spiegel Geschichte online, 28.1.2015)
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Er wog noch 47 Kilogramm, als er am 30. April von US-Soldaten aus der KZ-Haft befreit wurde.
1920 geboren als Sohn einer jüdischen Familie in der Tschechoslowakei und nach der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen aus rassistischen Gründen von den Nationalsozialisten verfolgt, hatte Max Mannheimer die Lager Theresienstadt, Auschwitz, Warschau, Dachau sowie dessen Außenlager Karlsfeld und Mühldorf überlebt. Seine Eltern, seine Frau und seine Schwester waren in Auschwitz ermordet worden, sein Bruder Ernst dort an einer Lungenentzündung gestorben. Max und seinem jüngeren Bruder Edgar gelang es, in den Lagern zusammenzubleiben, sich gegenseitig zu unterstützen und Mut zu machen. In einem Interview mit dem SPIEGEL schilderte Max Mannheimer 2015: “Ohne meinen Bruder Edgar hätte ich das alles nicht überlebt. Er war der Optimist von uns beiden.”
Ursprünglich hatte Max Mannheimer sich geschworen, nie wieder deutschen Boden zu betreten. Der Liebe wegen zog er aber nach dem Krieg nach Deutschland und lebte jahrzehntelang in München. Er schrieb und malte, um die Erinnerungen an seine KZ-Zeit psychisch verarbeiten zu können. Seine bemerkenswerte Persönlichkeit machte ihn darüber hinaus zu dem zu einem gefragten und faszinierenden Zeitzeugen. Er erzählte vor allem jungen Menschen von seiner Haftzeit, um gegen das Vergessen zu kämpfe. Ihnen pflegte er zu sagen:
“Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.”
Max Mannheimer starb 2016 im Alter von 96 Jahren.
Wir gedenken der ca. 41.500 Toten des KZ Dachau und seiner Außenlager.
„Das Lager war befreit – aber dieser Tag war der schmerzlichste Tag meines Lebens. Zum ersten Mal in drei Jahren konnte ich an etwas anderes denken als an Essen. Zum ersten Mal konnte ich mir den Luxus erlauben, über das Schicksal meiner Familie nachzudenken. Ich war 15 Jahre alt. Ich gehörte zu niemandem, und niemand gehörte zu mir. Das ist die eine Erinnerung an diesen Tag.“
Jack Terry in einem Interview mit SPIEGEL online, 18.3.2009
Flossenbürg
Viele Häftlinge des KZ Flossenbürg mussten im Steinbruch der SS-eigenen Firma Deutschen Erd- und Steinwerke schwere Zwangsarbeit leisten, viele starben an den unmenschlichen Bedingungen der Haft. Andere wurden in der Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie eingesetzt, u.a. für die deutsche Firma Messerschmidt.
Anfang April 1945 begann die SS, das Lager zu räumen und die Häftlinge auf Todesmärsche zu schicken, um die Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen. Am 23. April 1945 schließlich wurden die 1.500 im Lager verbliebenen Häftlinge durch US-amerikanische Truppen befreit.
„Am 23. in der Früh sind sie mit einem Jeep dagewesen und einem Maschinengewehr, das hat so rausgeschaut, und vier Soldaten. Und die haben Kaugummi gekaut und haben geraucht und mir sind die Tränen heruntergeflossen … weil ich jetzt das Gefühl gehabt habe, jetzt gehe ich heim, jetzt habe ich das überstanden und gehe heim.“ (Leo Mistinger erinnert seine Befreiung, das Zitat ist der Website der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg entnommen)
Wir gedenken der etwa 30.000 Menschen, die im KZ Flossenbürg starben.
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„Heute sind die Geschehnisse von früher kaum zu glauben. Wenn ich Filme über diese Zeit sehe, kann ich mir sogar selber kaum noch vorstellen, wie es gewesen ist. Ich weiß nur: Ich habe haufenweise Glück gehabt, dass ich überlebt habe.“
(Peter Josef „Joop“ Snep 2015)
Sachsenhausen
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Interview mit ZEIT online:
„Wir liefen von morgens bis abends. Wer hinfiel und sich nicht mehr bewegte, bekam einen Genickschuss. Ich war ja zum Glück Leistungssportler und mein Vater war ein fanatischer Wanderer und deshalb auch sehr gesund. Aber es war sehr schwer. Man lief täglich mit der Angst, mit dem Gedanken, ob man das überleben würde. Wie in Trance. Mittags gab es etwas Brot und eine dünne Suppe. Bei meiner Verhaftung in Amsterdam wog ich 72 Kilogramm, nach einer Woche in Sachsenhausen noch etwa 49. Ich war immer froh, wenn ich den nächsten Tag erlebte.“
Joop und sein Vater gehörte zu den ca. 200.000 Menschen, die im Lagerkomplex des KZ Sachsenhausen inhaftiert waren. Die beiden sprachen miteinander nach dem Zweiten Weltkrieg nie über das, was sie dort erlebt hatten. Als alter Mann unterstütze Joop Snep die Gedenkstätte Sachsenhausen und berichtete vor allem jungen Menschen immer wieder von seiner Haftzeit. Er starb 2016 im Alter von 94 Jahren.
Wir gedenken der zehntausenden Menschen, die das KZ Sachsenhausen nicht überlebten.
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Bergen – Belsen
Die Fotos und Filme von Angehörigen der britischen Armee, die diese am 15. April 1945 und in den Folgetagen von dem Elend machten, das sie bei der Befreiung des KZ Bergen-Belsen vorfanden, konfrontierte die Welt mit dem Unbegreiflichen. Und mit den Konsequenzen dessen, was die meisten Deutschen nicht gewusst zu haben behaupteten: Sie zeigten Tausende unbestattete Leichen und Zehntausende sterbende KZ-Häftlinge, die in den Tagen und Wochen vor der Befreiung ohne Wasser und Lebensmittel im Lager zusammengepfercht worden waren. Viele von ihnen hatten Jahre im Konzentrationslager überlebt und starben nun quasi im Angesicht ihrer Rettung.
Es bleiben Bilder und Erinnerungen, die vermutlich weder die Überlebenden noch ihre Befreier jemals werden überwinden können.
Wir gedenken der mehr als 52.000 Menschen, die im KZ Bergen-Belsen ums Leben gebracht wurden.
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„Da standen wir da am Zaun und heulten wie die Schlosshunde. Mein einziger Gedanke war: Gott sei Dank, Ihr seid gekommen, aber ihr kommt viel zu spät. Das war meine Reaktion auf die Befreiung, also kein Glücksgefühl. Absolut nicht.“
(Die tschechische Überlebende Margit Hermannová über den Moment ihrer Befreiung aus dem KZ Bergen-Belsen)
Buchenwald / Mittelbau-Dora
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“Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick.”
Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte, über die Befreiung des KZ Buchenwald im April 1945
Über 340.000 Häftlinge litten in den Konzentrationslagern Buchenwald bei Weimar (1937-1945) und Mittelbau-Dora bei Nordhausen (1943-45, zunächst Außenlager von Buchenwald) sowie in ihren insgesamt fast 180 Außenlagern.
Buchenwald war das größte KZ im Deutschen Reich. Vor allem Menschen, die laut nationalsozialistischer Definition nicht zur Volksgemeinschaft gehören durften, wurden hier u.a. zur Arbeit für die Rüstungsindustrie gezwungen. Mittelbau-Dora steht bis heute für die Untertageverlagerung der deutschen Rüstungsproduktion in den letzten Kriegsjahren und damit für die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen von KZ-Häftlingen in unterirdischen Stollenanlagen.
Beide Lager wurden am 11. April 1945 von US-amerikanischen Truppen befreit. Erschüttert von dem Elend, das sie in den Lagern vorgefunden hatten, zwangen die Befreier Zivilisten aus Nordhausen und Weimar einige Tage später, sich die Leichenberge in den ehemaligen Lagern anzusehen.
„Was unser Europa betrifft so sage ich immer allen meinen Freunden, allen Jugendlichen mit denen ich in Beziehung komme: Buchenwald war der Anfang von Europa. In Buchenwald haben wir – die Häftlinge – gelernt: es gibt keine andere Antwort auf das kommende Jahrhundert, als ein Europa zu bauen.“
(Stéphane Hessel (1917-2013), Deutschlandfunk Kultur, August 2011)
Wir gedenken der etwa 75.000 Toten der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora.
AUSCHWITZ
“Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.” (Theodor W. Adorno, 1966)
Das Vernichtungslager Auschwitz – Synonym für die Shoah, den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland. Insgesamt ca. sechs Millionen Menschen fielen der Shoah zum Opfer, in Auschwitz allein waren es über eine Million. Und obwohl wir dies wissen, wird Auschwitz für diejenigen, die es nicht durchleben mussten, niemals fassbar sein.
Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz-Birkenau von sowjetischen Truppen befreit. Das Leben der Befreiten allerdings sollte nie wieder sein wie vorher. Die meisten Überlebenden hatten mehrere Familienmitglieder verloren, nicht wenige von ihnen ihre gesamte Familie. Sie mussten neu beginnen. Mit der Erinnerung, die nicht gehen, die nicht verblassen wollte. Ein Zuhause gab es für die meisten nicht mehr.
Bis heute stellen sich viele Überlebende immer wieder ihren Erinnerungen an Auschwitz. Sie sprechen von ihrer Haft, den Demütigungen, dem Tod ihrer Lieben.
„Das, was damals geschehen ist, kann leider wieder geschehen, wenn auch vielleicht nicht auf dieselbe Weise. Um zu verhindern, dass der Holocaust sich wiederholt, ist es wichtig, sich zu erinnern; das Vergangene prägt die Gegenwart und wirft seinen Schatten auf die Zukunft.“
Die Erinnerung an Auschwitz verfolgt Überlebende bis zu ihrem Tod. Den Zivilisationsbruch, die Erinnerung an Tod, Angst, Hunger, Folter und Unmenschlichkeit können sie nicht verwinden. In seinem Buch „Die Untergegangenen und die Geretteten“ schreibt Primo Levi dazu:
„Wer gefoltert wurde, bleibt gefoltert. Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt. Die Schmach der Vernichtung lässt sich nicht austilgen. Das zum Teil schon mit dem ersten Schlag, in vollem Umfang aber schließlich mit der Tortur eingestürzte Weltvertrauen wird nicht wiedergewonnen.“
Wir gedenken der ca. 1,3 Millionen Menschen, die in Auschwitz ermordet wurden.
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VON DEUTSCHLAND BESETZTES OSTEUROPA
Bilder aus dem Projekt (Ausstellung und dem gleichnamigen Buch)
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